Neulich bemitleideten Moderatoren im Radio einen Bundesligaspieler, der für mehr Geld in einem Verein spiele, der ihm nicht so liege. Sein Herz gehöre eigentlich dem Herkunftsverein. Mensch Junge, hat das Geld nicht gereicht, war die Bettdecke zu kurz? Hätteste doch was gesagt! Ich habe mich aus der Perspektive eines mittelklassigen Verdieners gefragt, wie hoch denn seine Einkünfte waren. Innerhalb der ersten Liga gibt es bestimmt viele interessante Jobs, dem Trainingsstand des Talents angemessen. Unter ihnen kann es dann immer noch eine emotional schlüssige Wahl treffen.

Wenn sich eine solche Cash-Pride-Balance unter den Spielern ausbreiten würde, hätte das wohl denkwürdige Folgen für den ganzen Fußball – oder eben andere Sportarten. Während die Spieler sich weiterhin in fußballerischer Qualität messen würden, müssten die Vereine um soziales Engagement, kultige Maskottchen und radikale Menschlichkeit wetteifern. So viel wie die Spieler der ersten Ligen momentan verdienen, sitzen sie am längeren Hebel, wissen sie aber nicht. Dem DFB für die Teilnahme an einem Turnier in einer menschenverachtenden Diktatur den Arsch aus dem Fenster zu halten, stellte hier eine Anfängerübung für jeden in Verein soundso spielenden Nationalspieler dar.

Der Kapitalismus stuft Einkommen und Vermögen kontinuierlich ab. Zeige ich also mit dem Finger auf reiche Arbeitnehmer wie jenen Spieler, zeigen abhängig von meinem Einkommen soundso viele Finger auf mich zurück. Auch kann je nach Vermögen und Einkommenserwartung die Cash-Pride-Balance so oder so austariert werden. Schon eine aufsummierte Teilzeitarbeit zugunsten erfüllender Ehrenämter und Hobbies stellt alle Streiks als Drohung in den Schatten. Firmen müssten im Entwurf moralisch integrer Geschäftsmodelle wetteifern, gerade im Wettstreit um die besten Köpfe.

Die Sache hat einen Haken: Eine Firma kann eine interne Moral ausbilden, die von der gesellschaftlichen Moral klar abweicht. Dann können junge Hoffnungsträger in die Firma einsteigen, weil sie eben jung sind und das Geld brauchen, um sich dann Grad für Grad an die klimatischen Bedingungen in der Firma anzupassen. Schließlich kann gerade die Abweichung zur gesellschaftlichen Moral die Identifikation herstellen. So haben Autofirmen in Deutschland oft die Höchstwerte in Mitarbeiterzufriedenheit und corporate identity – auch lange nachdem eine Mehrheit der Bevölkerung ihr Geschäft als unterm Strich schmutzig einstuft. Ihre Lobbyisten setzen sich oft ausdauernd dafür ein das Volkes Meinung, wie im Fall des Tempolimits, nicht umgesetzt wird.

Damit die Cash-Pride-Balance also dem Einzelnen Autonomie verschafft, müssen die Identitäten einzelner sozialer Akteure immer wieder in übergreifenden Diskursen miteinander konfrontiert werden. Dabei müssen Normen nicht gleichgeschaltet werden, damit Pride ein ebenso universelles System ergibt wie Cash. Die Vielfalt der Meinungen würde sich in der Vielfalt der Geschäftsmodelle widerspiegeln. Die einzelnen wären aber durch eine Familienähnlichkeit verbunden, die unzweifelhafte Schweinereien ausschlösse. Dieses Begegnungen zu organisieren und darzustellen fällt  unter die Aufgaben von Presse und Kultur.

Liberale werfen gern jedem, der moralische Maßstäbe an wirtschaftliches Handeln anlegen möchte, vor, er strebe eine Diktatur der Gutmenschen an, die zudem marktschädigend sei. Popper sah am Horizont hinter jedem sozialen Ausgleich den aufziehenden Bolschewismus. Nun sind einerseits die Vorstellungen des Guten so mannigfaltig, dass wohl im schlimmsten Fall ein Parlament der Gutmenschen zu erwarten wäre. Die Krisen der letzten Zeit – von der Banken- über die Corona- bis zur Klimakrise zeigen aber alle, dass gerade die fehlende Regulierung der Wirtschaft diese selbst heftig schädigt, oft nachdem die Wähler liberaler Parteien ihr Scherflein ins Trockene gebracht haben.   

Umverteilung würde übrigens jeder und jedem den Status verschaffen, von dem aus sie moralische Maßstäbe an ihr wirtschaftliches Handeln, ihren Konsum, ihre Arbeit und ihre Investitionen anlegen könnten. Bei letzteren müssten sie allerdings ebenso auf die Urteile ihrer Umgebung Rücksicht nehmen, wie jetzt schon die Leidtragenden der Mehrheitsmeinung, also die ökonomischen Eliten. Wohlstandsnationen können sich eine solche Umverteilung nicht nur leisten, ein resilienter sozialer Friede würde es ihnen als Akteure der globalen Wirtschaft und Politik ermöglichen, bei der jeweiligen Partnerwahl zwischen kurzfristigen Interessen, Taktik und Bilanz, auf der einen und den gesellschaftlich geteilten Wertvorstellungen auf der anderen Seite die Balance zu finden. Aktuell könnte z.B. der deutsche Durchschnittsbürger Konjunkturflauten durch eine Umorientierung der Energiepolitik oder eine Abkühlung des Chinahandels zugunsten anderer Partner gut verkraften. Die Armen in unserem Land allerdings nicht, wodurch entschlossenes Handeln nach außen und wegweisende Reformen nach innen immer mit dem Risiko sozialen Unfriedens als Einfallstor rechter Populisten behaftet sind. Diktatorische Außenhandelspartner wissen, was sie an denen haben. Umverteilung mindert dieses Risiko.

Fürs Erste reicht es mir, einen neuen Begriff einzuführen. Möge er sich ausbreiten wie ein Virus und jeder und jedem erleichtern, ihrer Umgebung so getroffene Entscheidungen zu erläutern. Also noch einmal zum Einprägen: Cash-Pride-Balance.